Juliette oder Die Vorteile des Lasters by Marquis de Sade

Juliette oder Die Vorteile des Lasters by Marquis de Sade

Autor:Marquis de Sade
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-10-28T04:00:00+00:00


IV.

Der erste Saal, in den wir eintraten, enthielt zweihundert zwanzig- bis fünfunddreißigjährige Frauen. Als wir eintraten, ergriffen zwei Henker eine von ihnen und hingen sie sofort vor unseren Augen nackt auf. Minski trat an sie heran, bearbeitete ihr die Arschbacken, biss sie. In dem Augenblicke stellten sich alle sechs Frauen auf. Wir durchschritten sie, um die Weiber besser sehen zu können. Durch die Art ihrer Kleidung blieb keiner ihrer Reize verborgen (ein einfacher Überhang bedeckte sie, ohne aber ihre Brüste oder ihre Arschbacken zu verdecken). Nur ihre Scham konnte man nicht sehen. Diese von Minski anbefohlene, raffinierte Kleidung verhüllte vor seinen Wüstlingsaugen einen Tempel, in dem er nicht zu opfern pflegte.

An dem einen Ende dieses Saales schloß sich ein weniger großer an, in dem fünfundzwanzig Betten standen. Dorthin wurden die durch die Zügellosigkeit des Riesen verwundeten Frauen gebracht. »Wenn sie mir zuviel Scherereien machen«, sagte mir Minski, indem er ein Fenster des Saales öffnete, »so werfe ich sie von hier hinaus.« Aber wie groß war unser Erstaunen, als wir sahen, daß der Hof, in den dieses Fenster führte, von Bären, Löwen, Leoparden und Tigern wimmelte. »Tatsächlich«, sagte ich, als ich diesen greulichen Ort sah, »das sind Ärzte, die ihr Geschäft rasch erledigen.«

»Es bedarf nur einer Minute, und sie sind geheilt; dadurch vermeide ich schlechte Luft. Was kann mir übrigens eine halbkranke Frau nützen? Durch dieses Vorgehen erspare ich mir Kosten, denn Sie müssen zugestehen, Juliette, daß eine kranke Frau, das was sie kostet, nicht wert ist.« Minski besuchte nun die Kranken, und da er sechs unwohler fand als die anderen, wurden sie unbarmherzig aus ihren Betten gerissen und vor unseren Augen in die Menagerie gestürzt. Dort waren sie in weniger als drei Minuten verschlungen.

Wir setzten nun unseren Gang durch die Gemächer fort. Durch die Ungeheuerlichkeiten, die ich sah, wurde ich dermaßen erschöpft, daß ich zu Minski den Wunsch aussprach, mich den Rest des Tages ausruhen zu dürfen. »Gern«, antwortete er, »dann werde ich es auf morgen verschieben, Ihnen die Bekanntschaft zweier Räume meines Hauses, deren Anblick Sie zweifellos in Erstaunen setzen wird, zu vermitteln.«

Ich zog mich mit Sbrigani zurück, und als ich mich mit meinem Reisegenossen allein fand, sagte ich ihm: »Es handelt sich nicht bloß darum, in das Haus des Lasters und des Schreckens hineingekommen zu sein, wir müssen auch wieder hinauskommen. Ich habe gegen den Riesen nicht genug Vertrauen, um unseren Aufenthalt noch weiter in die Länge ziehen zu können. Ich habe sicher wirkende Mittel, mich seiner zu entledigen, und nach seinem Tode wäre es uns sehr leicht, sich seiner Reiehtümer zu bemächtigen und zu fliehen. Aber dieser Mensch ist für die Menschheit zu schädlich, als daß ich die Welt seiner berauben möchte; ich würde hier die Rolle des Gesetzes spielen, ich würde der Gesellschaft dienen, wollte ich diesen Verbrecher vernichten, und bis zu diesem Grade liebe ich die Tugend nicht. Ich werde diesen, dem Verbrechen so wichtigen Mann leben lassen, ihn jedoch bestehlen, denn das ist wichtig. Er hat mehr Geld als wir, und Gleichheit war immer mein Grundsatz; wir müssen flüchten, denn er würde uns unfehlbar töten.



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